"Zu meiner Schulzeit war das Beichtengehen ein Horror. Mich kriegt niemand mehr in den Beichtstuhl!" "Ich habe keinen umgebracht und komme mit meinen Mitmenschen recht gut aus. Was sollte ich beichten?" "Was gehen den Pfarrer meine Sünden an? Schafft die Beichte ab!" Solche und ähnliche Äußerungen machen klar: Die Beichte ist derzeit nicht "in". Der Beichtboom früherer Jahrzehnte ist vorbei. Zwischen 1850 und 1965 wurde so oft und so viel gebeichtet wie niemals zuvor in der Kirchengeschichte. Ohne Zweifel ging das auf Kosten der Qualität. Moralische Kleinkrämerei, übertriebene Sündenangst und Zwang in der religiösen Erziehung verdüsterten zusätzlich die Schönheit dieses Sakramentes. Es wurde von vielen nicht mehr als Geschenk, sondern als Last erlebt.
Manches muss längere Zeit ruhen, bevor es neu entdeckt werden kann. Vielleicht gilt das auch für die Beichte und alles, was dazugehört. Denn sie ist ja etwas, was dem Wesen des Menschen durchaus entspricht. Wer ehrlich mit sich selber ist, wird im Laufe des Lebens immer wieder sagen müssen: Hier habe ich versagt. Hier habe ich einen Schnitzer gemacht. Hier habe ich mich verrannt.
Wer ehrlich ist, weiß auch, dass sich vieles nicht einfach mit ein bisschen guten Willen zurechtbiegen lässt. Und er weiß, dass es Schuld gibt, die man eigentlich nicht wiedergutmachen kann, vielleicht weil der Mitmensch, an dem man schuldig geworden ist, nicht mehr erreichbar ist, vielleicht weil die bösen Folgen eigenen Versagens sich trotz Reue der Kontrolle entziehen. Wir haben das, was wir getan haben und tun, nie ganz in unserer Hand. Es übersteigt unsere Kräfte.
Jesus, der große Menschenkenner, weiß um diese verzwickte Situation des Menschen und verkündet deshalb eine Vergebung, die weit über menschliches Verzeihen hinaus geht: "Deine Sünden sind dir vergeben" - Es wird alles wieder gut! So etwas kann nur Gott selbst versprechen. Nur er hat das "Wort, das alles heilt" (Weisheit 16,11). Nur Er kann auch die krummsten Dinge, die Menschen gedreht haben, zu einem guten Ende führen. Und Er tut das auch wirklich, wenn Menschen seine Vergebung annehmen und in sich wirken lassen. Diese erlösende Wahrheit hat Jesus gelebt und dafür ist er gestorben.
Es ist der Wille Jesu, dass dieses Wort der Vergebung in der Welt nicht verstumme. Deshalb gibt er – so bezeugt die Bibel – seinen Aposteln etwas Wichtiges mit auf den Weg: "Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben ...!" (Joh 20,23) Seit 2000 Jahren bemüht sich die Gemeinschaft der Kirche, diese Vergebung Gottes auf verschiedene Weise sichtbar und hörbar an die Menschen weiterzugeben: durch das Verkünden des Evangeliums, durch die Feier der Taufe und der heiligen Messe, durch Bußgottesdienste, Fürbitten usw. Und Menschen zeigen ebenfalls auf vielfältige Weise, dass sie erneut den Weg des Guten gehen wollen: durch tätige Reue, Werke der Nächstenliebe, Gebete, Versöhnungsbereitschaft, Feindesliebe usw.
Eine besondere Form
Eine ganz besondere Form der Sündenvergebung ist das Sakrament der Buße, bei uns meist sehr verkürzt "Beichte" genannt, weil man dabei seine Schuld nicht nur innerlich bereut, sondern auch mutig beim Namen nennt ("beichtet"). Der Priester, der in der Nachfolge der Apostel steht, darf dann im Sinne Jesu die Lossprechung (Absolution) geben. Sein Vergebungswort ist das menschliche Zeichen für die Vergebung Gottes (ähnlich wie bei der hl. Messe Brot und Wein sichtbares Zeichen für die Gegenwart Jesu sind.) Wer dieses Sakrament aufrichtig empfängt, erhält eine große Kraft für die sinnvolle Gestaltung seines Lebens.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Sakrament der Buße zu empfangen. Manche gehen gerne in einen Beichtstuhl (wegen der größeren Anonymität), andere bevorzugen das Aussprachezimmer eines Priesters. Man muss bei einer Beichte nicht alle Sünden aufzählen oder gar irgendwelche Formeln auswendig aufsagen, wie manche meinen. Nach einer ernsthaften Gewissenserforschung weiß man normalerweise, was wichtig ist und was benannt werden soll. Für jemanden, der dieses Sakrament schon länger nicht empfangen hat, ist es wohl am besten, wenn er mit einem Priester ein Gespräch vereinbart. Der Priester hilft dann gerne weiter.
Die Kirche lädt die Gläubigen ein, das Sakrament der Buße öfter zu empfangen. Dazu verpflichtet sind nach der Lebensordnung der katholischen Kirche die Gläubigen allerdings nur dann, wenn sie sich einer schweren Sünde bewusst sind. In diesem Fall sollen sie innerhalb eines Jahres, aber nach Möglichkeit bevor sie wieder zur heiligen Kommunion gehen, das Sakrament der Buße empfangen. Als schwer gilt eine Sünde dann, wenn sie (1.) eine „wichtige Sache" betrifft, also im groben Kontrast zum christlichen Leben, wie es sein soll, steht, (2.) vom Gewissen klar als Sünde erkannt und (3.) trotzdem mit bedachter Zustimmung begangen wird.
"Es gibt heute weniger Beichten als vor 40 Jahren, aber ihre Qualität hat zugenommen", sagt ein erfahrener Seelsorger. Das Ziel des Bußsakramentes und aller anderen Formen der Buße liegt darin, dass es dem Menschen im Vertrauen auf Gott immer "besser" gelingt , ein versöhnter Mensch zu sein - versöhnt mit Gott, mit den Mitmenschen, mit der Schöpfung, mit dem eigenen Leben. Auf jeden Fall ein erstrebenswertes Ziel
Text von: Karl Veitschegger
http://members.aon.at/veitschegger/texte/beichte.htm